Herausgeber: Bayerisches Landesjugendamt -
Zentrale Adoptionsstelle - Richelstraße 11, 80634 München, 2.Auflage,
Dezember 1984, als Vorlage diente die Broschüre Explaining Adoption-A
guide for adoptiveparents September 1972, überarbeitete Fassung
1976, mit freundlicher Genehmigung der British Agencies for
Adoption and Fostering, 11 Southwark Street London SE1 1 RQ
Viele
Adoptiveltern fragen sich, ob, wann und wie sie ihr Kind über
die Tatsache der Adoption aufklären sollen. Ihre Sorge ist,
wie ihr Kind reagieren wird, ob es sie weiterhin als Eltern
akzeptieren kann. Adoptierte Erwachsene haben uns dabei geholfen,
nachzuempfinden, wie adoptierte Kinder ihre Situation empfinden
und was sie über ihre Herkunft wissen möchten. Auch Adoptiveltern
haben ihre Erfahrungen, ihre Hoffnungen und Ängste auf diesem
Gebiet geschildert; diese bisherigen Erfahrungen sollen anderen
Adoptiveltern helfen, eine Form der Aufklärung zu finden, die
für sie und ihr Kind am geeignetsten erscheint. Eine ideale,
einzig richtige Methode gibt es dabei nicht. Jedes Kind und
jeder Elternteil hat seine eigenen speziellen Bedürfnisse, die
berücksichtigt werden müssen. Einige grundlegende Erkenntnisse
können jedoch allen Adoptivfamilien helfen.
Wann?
Fachleute
sind sich darüber einig, dass die Aufklärung so früh wie möglich
beginnen sollte. Sehen wir uns dies im Zusammenhang mit der
allgemeinen Entwicklung eines Kindes an: Für das ganz kleine
Kind besteht das Leben aus einer Fülle neuer Erfahrungen. Eindrücke,
die dem Baby oder Kleinkind Freude oder Behaglichkeit vermitteln,
wird es mögen. Es wird dagegen Erlebnisse ablehnen, die mit
unbehaglichen oder ängstigenden Gefühlen verbunden sind. Da
Erfahrungen und Gefühle für das Kleinkind untrennbar miteinander
verbunden sind, werden Sie als Adoptiveltern dafür sorgen wollen,
dass ihr Kind Adoption von Anfang an mit angenehmen Gefühlen
Lernen heißt, sich über bestimmte Dinge Gedanken zu machen und
Fragen zu stellen. Das Kind versucht daher auch, herauszufinden,
woher die Babys kommen. Aufgeschlossene Eltern fördern diese
gesunde Neugierde. Das Kleinkind stellt sehr grundsätzliche
Fragen und erwartet nur einfache Antworten. Zu diesem Zeitpunkt
kann es mit einer Fülle von Details noch nichts anfangen. Oft
scheint es die Antworten zu vergessen und stellt die gleichen
Fragen mehrmals. Allmählich erweitert es den Bereich seiner
Fragen und vertieft sein Verständnis.
Erfahrungen
über die eigene Adoption sind ein Teil des Lernens. Für das
kleine Kind ist Adoption nur eine Tatsache mehr, die es seinem
ständig wachsenden Wissen über sich selbst hinzufügt. Es nimmt
diese Informationen völlig unkompliziert und natürlich auf,
besonders dann, wenn sie in entspannter Atmosphäre von Lächeln
und von Zärtlichkeiten begleitet werden. Natürlich wird das
kleine Kind nicht sofort alles verstehen, wie es auch nicht
alles über Sexualität versteht, wenn ihm gesagt wird, dass ein
Baby im Bauch seiner Mutter wächst. Das macht auf dieser Entwicklungsstufe
überhaupt nichts. Wichtig ist, dass es lebendiges Wissen in
einer liebevollen und entspannten Atmosphäre erhält. Es beginnt,
das Wort "adoptiert" mit sich selbst zu verbinden.
Es weiß und fühlt dann auch, dass es schön ist, adoptiert zu
sein und dass seine Eltern darüber glücklich sind. Wir wissen,
dass es vielen Adoptiveltern schwer fällt, so unbefangen davon
zu sprechen. Manchen Adoptiveltern war es eine Hilfe, schon
mit Ihrem Säugling oder Kleinkind darüber zu sprechen. Sie erzählten
ihm, wie schön es war, als sie ihn oder sie aus dem Krankenhaus
abholten, wie sehr sie sich darauf freuten, wie viel Schönes
sie seither schon miteinander erlebten. Vielleicht meinen Sie,
das sei übertrieben? Sollte man nicht erst dann über Adoption
mit dem Kind sprechen, wenn es alt genug ist, es zu verstehen?
Aber: Gibt es nicht vieles, was ein Kind erst dann voll begreift,
wenn es erwachsen ist? " Besprechen " Sie nicht auch
vieles andere mit ihrem Säugling oder Kleinkind, ohne dass es
dies verstandesmäßig voll versteht? Aber es gewinnt Vertrauen
zu ihrer Stimme, genießt die Zuwendung, erfährt akustische und
optische Anregungen. Und die Eltern gewöhnen sich daran, ihrem
Kind auch von diesem Teil ihrer Beziehung zu erzählen. Und durch
dieses Tun, immer wieder einmal (nicht nur das Vorhaben, es
später schon noch tun zu wollen), erleben sie, wie leicht und
natürlich das Kind auch dies von seinen Eltern annimmt.
Wenn
es heranwächst, haben Sie und Ihr Kind sich daran gewöhnt, Angst
kann dann kaum noch auftreten. Aber je länger Sie damit warten,
desto schwerer wird es ihnen fallen, mit Ihrem Kind darüber
zu reden. Während Sie ihm von seiner, von Ihrer gemeinsamen
Adoption erzählen, nimmt es die liebevolle Stimme wahr, und
wenn es selbst zu sprechen beginnt, wird es immer mehr davon
verstehen. Wenn Sie auch im Kindergarten und Schulalter immer
wieder einmal darüber sprechen, ist es gut, wenn Ihr Kind merkt,
dass ihm Adoption bereits vertraut ist.
[oben]
Wie?
Aufklärung
über Adoption lässt sich nicht Wort für Wort erklären. Das Kind
wird aber am Tonfall Ihrer Stimme erkennen. ob es seinen Eltern
schwer fällt, ihm von der Adoption zu erzählen, ob es für die
Eltern etwas Schönes oder Bedrückendes ist. Dieser erste Eindruck
kann lange nachwirken, wenn er nicht korrigiert wird. Einige
Adoptivkinder konnten erst im Erwachsenenalter darüber sprechen.
dass sie die Angst ihrer Eltern spürten und später nicht wagten,
Fragen über Adoption zu stellen. Da ein Kind mehr durch seine
Gefühle als durch seinen Verstand erfährt, wird es weniger davon
berührt, was ihm gesagt wird als w i e . Wichtig ist, das Wesentliche
zu verdeutlichen, z. B.: "Wir haben dich adoptiert".
"Was ist adoptiert?" "Thomas ist im Bauch seiner
Mami gewachsen. Du bist nicht in mir gewachsen. " "Wo
komme ich dann her?" "Du bist aus dem Bauch einer
anderen Mami gekommen. " "Von welcher Mami?"
"Ich kenne sie nicht und der Papi auch nicht." "Wieso
weißt du dann etwas über sie? " "Wir haben einige
male mit der Frau gesprochen, die deine Mami gekannt hat. Das
war noch, bevor du zu uns gekommen bist." Zu viele Details
können ein kleines Kind verwirren. Kinder haben manchmal die
Vorstellung, dass Adoption eine Alternative für Geburt ist.
Zum Beispiel sagte ein kleines Mädchen stolz zu einem anderen
Kind: "Du bist nur geboren, aber ich bin adoptiert."
Das andere kleine Kind war ziemlich verwirrt darüber, ging nach
Hause und erzählte es seiner Mutter. Am nächsten Tag kam es
zurück und sagte: "Du bist nur adoptiert, du bist nicht
geboren. Meine Mutti hat mich geboren." Daher ist es sinnvoll,
klar über die Herkunft zu sprechen, ohne zu sehr ins Detail
zu gehen. Sie brauchen auch nicht zu stark zu betonen, dass
das Kind von Ihnen ausgewählt wurde. Sie möchten sicher, dass
Ihr Kind weiß, dass Sie es ausgewählt und sehr lieb haben. Andererseits
sollte im Kind nicht der Verdacht entstehen, dass Sie es z.
B. wegen seiner Locken, seines guten Aussehens oder wegen seiner
Intelligenz ausgewählt haben. Es könnte dann die Angst entwickeln,
dass Sie es wie einen beschädigten Artikel zurückgeben, wenn
seine Locken verschwinden oder sein Schulzeugnis schlecht ausfällt.
Einige Eltern ziehen es vor, die ehrlichere Auskunft zu geben,
dass sie für das Kind ausgewählt wurden. Meist ist es für Adoptiveltern
viel schwieriger, etwas über Adoption zu sagen, als für die
Kinder selber, ihre Adoption zu akzeptieren. Eltern fragen sich
oft, wie sie das Thema Adoption ins Gespräch bringen sollen.
In den ersten drei Lebensjahren kann der Begriff "Adoption"
in einfachen Geschichten eingebaut werden. Es fällt zunächst
nicht leicht, ohne jeden Anlass mit Erklärungen zu beginnen.
Sie werden aber sicher eine Hilfe vom Kind selbst bekommen.
Alle Kinder stellen endlose Fragen und sind neugierig. Nehmen
Sie an, Ihre Tochter fragt Sie, wo sie hergekommen ist. Sie
können dann sagen: "Du bist in Regensburg geboren. Du weißt,
wir haben dich adoptiert. Wir haben dich zum ersten Mal gesehen,
als du zwei Wochen alt warst. Wir haben uns sehr gefreut, als
wir dich damals im Krankenhaus abholen konnten. Wir haben uns
schon lange Zeit ein Kind gewünscht ..." Wenn das Kind
weitere Fragen stellt, werden Sie darauf eingehen. Ist das Kind
nicht mehr interessiert oder wechselt das Thema, können Sie
es ein anderes Mal wieder aufgreifen.
Falls
das Kind überhaupt keine Fragen stellt, können Sie das Thema
mit einem Familien-Fotoalbum einführen. Sie können dem Kind
zeigen, wie Sie es in der Klinik oder im Heim abgeholt haben,
wie es damals ausgesehen hat und wie Sie sich gefreut haben,
es in Ihrer Familie aufzunehmen. Kasperltheater, Rollenspiele
und Puppenspiele bieten eine weitere kindgerechte Möglichkeit,
Ihr Kind mit Adoption vertraut zu machen. Viele Eltern haben
berichtet, dass ihnen Bilderbücher bei der Aufklärung eine große
Hilfe waren. Wir empfehlen Ihnen dabei z. B. die Bilderbücher
"Der Findefuchs", "Peter und Susi finden eine
Familie" und "Das Buch über Bubblan, der neue Eltern
bekam" (s. Literaturanhang).
Alle
drei Bücher sind übrigens auch für nicht adoptierte Kinder hübsch
und spannend. Im Gegensatz zu den beiden letzten Büchern verlegt
die Autorin des "Findefuchs" die Geschichte bewusst
in das Tierreich, um einen noch unmittelbareren Zugang über
das kindliche Erleben, die Gefühlswelt zu ermöglichen. dass
in dieser Fuchsgeschichte die Mutter ihr Kind nicht "freigibt",
sondern gestorben ist. ist von der Tiergeschichte her folgerichtig.
Dabei sollte den Kindern nicht vorgemacht werden, als wäre dies
bei den Menschen auch immer so. Für Kinder dieser Entwicklungsphase
reicht diese "Aufklärung", d. h. die liebevolle Botschaft:
"Ein zunächst fremdes Kind kann ein eigenes werden".
In späteren Entwicklungsstufen werden weitere Details gemeinsam
von Eltern und Kindern entdeckt. Vorherige Informationen werden
ganz natürlich erweitert und vertieft. Hier fügen sich, Bubblan"
und "Peter und Susi" glücklich an.
Sie
können auch die Gelegenheit nützen, wenn sich in Ihrer Nachbarschaft,
Verwandtschaft oder bei Ihnen selbst nachwuchs einstellt. Wenn
Ihr Kind dazu Fragen stellt, können Sie ihm im Anschluss daran
seine eigene Situation erklären. Adoption ist nur eine von vielen
wichtigen Dingen in Ihrem Familienleben. Es ist weder nötig,
das Thema zu vermeiden, noch es besonders zu betonen oder ständig
ins Gespräch zu bringen.
[oben]
Die Eltern
Versuchen
Sie, die leiblichen Eltern so konkret wie möglich zu sehen und
Ihrem Kind zu vermitteln. Erfragen Sie so viel wie möglich von
der Vermittlungsfachkraft, damit Sie nicht nur vage sagen müssen:
" Sie hat dich bestimmt lieb gehabt ". Vielleicht
haben Sie von dem ersten Bericht des Sozialarbeiters über die
leiblichen Eltern in der Zwischenzeit vieles vergessen. Suchen
Sie dann ruhig die Adoptionsvermittlungsstelle wieder auf.
Adoptiveltern
machen sich manchmal Sorgen, wie sie die leibliche M Mutter
nennen sollen. Sie sind zurecht der Ansicht, dass sie selbst
die "richtigen" Eltern sind; schließlich bedeutet
Elternschaft viel mehr, als einem Kind das Leben zu schenken.
Einige scheuen sich, die leiblichen Eltern als Mutter und Vater
zu bezeichnen. Bei einem sehr kleinen Kind mag es sinnvoll sein,
es nicht mit der Vorstellung zu verwirren, dass es zwei Mütter
hat. Andererseits wird es später bald erkennen, dass Elternschaft
üblicherweise die Geburt mit einschließt. Manche bezeichnen
die leibliche Mutter als "die andere Frau". Sobald
das Kind versteht, dass damit seine leibliche Mutter gemeint
ist, wird es dies als Kränkung erleben. Viele Adoptiveltern
sprechen daher von der leiblichen Mutter als der "ersten"
oder "früheren" Mutter Das hat den Vorteil, dass das
Kind erkennt, dass diese Eltern der Vergangenheit angehören
und nicht mehr ein Teil des jetzigen Lebens sind. Früher oder
später will Ihr Kind unbedingt wissen: "Warum haben mich
meine Eltern nicht behalten?" Auf diese schwierige Frage
kann es keine ganz befriedigende Antwort geben. Die meisten
Kleinkinder können eine einfache Erklärung ziemlich leicht akzeptieren.
Kritische Gedanken und Zweifel werden ihnen erst später kommen.
Auch wenn ein Jugendlicher seine Adoptiveltern liebt und glücklich
ist, ihr Kind zu sein, kann er es zeitweise als schmerzlich
und bitter erleben, von seiner leiblichen Familie freigegeben
worden zu sein.
Durch
Sympathie und Mitgefühl können Sie Ihrem adoptierten Kind am
besten helfen, seine Lebensgeschichte zu akzeptieren. Je nach
Situation gibt es einiges, was man ohne Schwierigkeiten sagen
kann: " Deine erste Mutter konnte für dich nicht so gut
sorgen, wie sie wollte." "Deine ersten Eltern haben
nicht miteinander gelebt, daher gab es keinen Vati, der zur
Arbeit gehen konnte, um Geld für Essen und Kleider zu verdienen."
"Deine Mutti wollte, dass du gut und glücklich aufwächst;
daher bat sie die Adoptionsvermittlungsstelle, Leute zu finden,
die gut für dich sorgen würden. Die Vermittlungsstelle hat uns
gefunden, weil wir kein Baby hatten, aber uns sehr nach einem
sehnten, das wir lieben wollten. Deine Mutti war traurig, als
sie sich von dir getrennt hat, aber sie war glücklich, zu wissen,
dass es dir gut gehen würde."
Später
können Sie dann mehr über seine Eltern erzählen, wie sie aussahen,
was sie taten, woher sie kamen, etwas über ihre Beziehung zueinander.
Einige Antworten können dem Kind weh tun, auch wenn Sie sich
darum bemühen, mit Verständnis und Toleranz darüber zu sprechen.
Sie werden nicht immer in der Lage sein, Ihr Kind vor Leid zu
bewahren. Aber Sie können ihm Ihr Mitgefühl vermitteln. Das
Kind will spüren, dass Sie seinen Schmerz teilen. Ungünstig
ist es, die leiblichen Eltern herabzusetzen oder vor dem Kind
schlecht zu machen. Für das Kind ist es wichtig, zu betonen,
dass die leiblichen Eltern aus einer Notlage heraus gehandelt
haben und dass sie sich um sein Wohlergehen Sorgen gemacht haben.
Häufig
werden Kinder von Eltern adoptiert, die selbst keine eigenen
Kinder haben können. Zeugungsunfähig oder unfruchtbar zu sein,
ist schwer zu akzeptieren. Oft wird ein schmerzliches Gefühl
des Versagens und der Minderwertigkeit erlebt, obwohl objektiv
gesehen kein Grund dafür besteht. Manche können es sich auch
nicht eingestehen, wie sehr sie unter der Kinderlosigkeit leiden.
Wenn sie ein Adoptivkind aufnehmen und lieb gewinnen, werden
sie sich weiterhin Gedanken machen, dass sie dieses Kind nicht
selbst zur Welt bringen konnten. Hemmungen, mit dem Kind offen
und einfühlsam über Adoption zu sprechen, können z. T. auf dem
schmerzlichen Gefühl beruhen, selbst keine Kinder bekommen zu
können. Sie brauchen sich dieser Gefühle nicht zu schämen. Es
ist wichtig, sie zu erkennen und zu versuchen, sie anzunehmen.
Diese Gefühle können von Zeit zu Zeit wiederkommen. Ehepaare
können sich gegenseitig viel helfen, diese Gefühle anzunehmen.
Es kann für sie auch sinnvoll sein, mit Freunden darüber zu
sprechen oder mit anderen Adoptiveltern, mit einem Sozialarbeiter
oder mit einem Eheberater.
Adoption
ist eine bewusste Entscheidung, eine Familie zu gründen. Es
werden die gleichen Schwierigkeiten entstehen wie in den Familien
mit leiblichen Kindern. Die Gefahr besteht, dass Adoptiveltern
normale entwicklungsbedingte Probleme fälschlicherweise auf
die Adoption zurückführen. Ein adoptiertes Kind kann später
den Wunsch äußern, lieber bei seinen leiblichen oder anderen
Eltern aufgewachsen zu sein. Ähnliche Wunschträume kommen auch
bei leiblichen Kindern häufig vor. Die Auseinandersetzung mit
den Eltern, mit der Familie, ist ein Entwicklungsprozess, der
zur Identitätsbildung eines jeden jungen Menschen notwendig
ist.
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Schule
Der
wichtigste Grund, Ihr Kind über seine Adoption aufzuklären.
besteht darin, es erleben zu lassen, dass Ihr Familienleben
auf Ehrlichkeit, Offenheit und gegenseitigem Vertrauen aufgebaut
ist. Es braucht dieses Wissen auch als Schutz gegen die Außenwelt.
Jedes Kind, das in den Kindergarten geht oder in einer Vorschulklasse
mit anderen Kindern zusammenkommt, wird wahrscheinlich ihren
Spott oder ihr Gerede mitbekommen. Unsere Nachbarn und Freunde
sprechen wie wir häufig über andere Leute, und ihre Kinder hören
ihre Unterhaltung, auch wenn sie mit ihren eigenen Dingen beschäftigt
zu sein scheinen. So kann eines Tages ein kleiner Spielkamerad
plötzlich sagen: "Du bist adoptiert". Das gut vorbereitete
Kind wird sofort antworten: "Na und?" Aber wenn einem
ahnungslosen adoptierten Kind gesagt wird: "Du hast keine
richtige Mama" oder "Du hast zwei Mamas" oder
gar: "Dein richtiger Vati und deine Mutti wollten dich
nicht haben", wird es verstört und verwirrt sein. Seine
Sicherheit kann ernsthaft und unnötig beeinträchtigt werden.
Wenn die Aufklärung über die Adoption verzögert wird, bis das
Kind in die Schule kommt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass
es zum erstenmal im Schulhof, im Klassenzimmer oder auf dem
Schulweg davon hört. Vielleicht werden auch seine Lehrer oder
andere Leute darüber sprechen, ohne zu ahnen, dass das Kind
nichts davon weiß.
Ältere
Kinder finden oft Briefe und Dokumente in Schubläden. Wenn Ihr
Kind spürt, dass es Ihnen Angst macht, darüber zu sprechen,
wird es sich schwertun, Sie in seiner Verwirrung um Hilfe zu
bitten. Letztlich ist es unmöglich, eine Adoption geheim zu
halten. Meist ist es nicht so sehr die Adoption selbst, die
die Kinder verwirrt, sondern die Tatsache, von den Eltern hintergangen
worden zu sein. Sie sorgen sich, was andere Kinder oder Erwachsene
sagen oder denken könnten. Manchmal werden sie mit ungeschickten
oder dummen Bemerkungen über Adoption konfrontiert. Ihr Kind
wird dadurch schmerzliche Erfahrungen machen, mit denen es aber
lernen muss umzugehen. Wenn Sie Ihr Kind gut vorbereitet haben,
wird es sich nicht alleingelassen fühlen und diese Belastungen
verkraften können. Es fühlt sich sicher in der Liebe, im Verständnis
und in der Unterstützung seiner Familie.
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Erlebnis
Bericht
einer Mutter
"Der
Hund spitzte die Ohren und schoss mit einem freudigen Sprung
quer durch die Küche. Die Hintertür sprang auf und zwei tintenbefleckte
Büchertaschen wurden wie üblich auf den Küchentisch geworfen.
Ihnen folgten zwei ebenfalls tintenbefleckte kleine Mädchen,
die auch heute zunächst den Hund mit wilden Umarmungen begrüßten
und dann mich. Aber an diesem Tag blieb Susan zurück, während
ihre ältere Schwester die Treppen hinaufging. "Mutti, Caroline
sagt, du kannst wahrscheinlich nicht meine richtige Mutti sein,
weil ich adoptiert bin." Ich schaute meine Tochter an.
Beide Arme hatte sie fest um den Hund gelegt, ein Zopf war aufgelöst,
das Haarband fehlte. Zwei große Augen schauten mich an, deren
Helligkeit von einer Mischung aus Angst, Vertrauen, Zweifel
und Herausforderung verschleiert waren. Ihr schien in diesem
Moment sicherer, den Hund zu umarmen als mich. "Dann hast
du es ihnen erklärt, nicht wahr? " Ich bemühte mich, meine
Stimme zärtlich und heiter klingen zu lassen. "Ja, natürlich,
ich habe ihnen alles erzählt. Sie haben über die Zeit gesprochen,
als sie geboren wurden. Der Vater von Caroline brachte einen
großen Rosenstrauß in die Klinik, in der sie geboren wurde."
Die Stille, die dann folgte, konnte von keinem von uns falsch
ausgelegt werden. Ich fuhr fort, Kartoffeln zu schälen - "Ich
verstehe, was haben die anderen gesagt? Über dich, meine ich?"
Ich wollte Zeit gewinnen. "Ja, sie konnten es nicht richtig
verstehen -aber ich glaube, sie haben Caroline zugestimmt. Sie
sagt, du kannst nicht meine richtige Mutti sein."
Ich
stieß den Kartoffelschäler in eine hilflose Kartoffel und innerlich
verfluchte ich die vorlaute Caroline. Kein Zweifel, diese Familie
vermehrte sich wie die Kaninchen, ohne auf die Bevölkerungsexplosion
Rücksicht zu nehmen! Die anderen vielleicht ebenso! Sie mussten
sich nicht dem Schmerz und der Frage in den Augen eines Kindes
stellen. Auch nicht diese wohlmeinenden Sozialarbeiter, die
verlangten, dass wir vom frühen Kindesalter an über Adoption
sprechen sollten. Sie ließen es so einfach erscheinen, so vernünftig
- nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste, wenn ein Kind
unbefangen mit diesem Wissen aufwächst. Unsere Kinder sind doch
mit dem Wissen aufgewachsen! Als sie klein waren, haben sie
sogar Spiele mit dem Thema Adoption gespielt. Schritt für Schritt
haben wir es ihnen im Laufe der Jahre erklärt, und es gab nichts,
wovor wir uns fürchten mussten. Warum hatte ich dann jetzt Angst?
War es nur die Frage in ihren Augen? Oder war es etwas Tieferes
in mir, das mir mein Versagen übel nahm, keine Kinder zu bekommen?
Mein Versagen als Frau? Nicht nur unfähig, diese verdammten
roten Rosen zu verdienen, sondern vollkommen unwert, dieses
wunderbare Kind zu haben. Dieses Mädchen, das mich Mutti nannte
und dessen Recht, dies zu tun, öffentlich durch ihre Klassenkameraden
in Frage gestellt wurde. Ich trocknete meine Hände und hörte
auf, den aufgelösten Zopf wieder zu flechten. "Vielleicht
hast du es nicht genau erklärt. Vielleicht warst du ein bisschen
durcheinander? Wir können anderen Leuten nicht beibringen, was
wir selbst nicht richtig verstanden haben. Welchen Teil hast
du nicht verstanden ? " " Ich weiß nicht. " So
gingen wir die Familiengeschichte noch einmal durch, angefangen
von dem kleinen Vorfall, wo sie sich am Tag ihrer Ankunft über
dem besten Anzug von Vati erbrochen hatte, bis hin zum Gerichtstermin
und dem neuen Namen auf ihrer Geburtsurkunde. Aber diesmal war
es wichtig für sie, diesmal musste sie es wirklich verstehen,
und sie sog alles in sich hinein. Wir sprachen auch darüber,
welche Aufgaben Eltern haben. Wir gingen zusammen zum Schreibtisch
zurück, holten den Adoptionsbeschluss und legten ihn auf den
Tisch. Da war es, nicht hinwegzuleugnen. Ich nahm die Geburtsurkunde
aus der Mappe. "Da", sagte ich, "die solltest
du besser in deinem Zimmer aufbewahren. Denn wenn du jemals
vergessen solltest, wessen Kind du bist, kannst du den Namen
selbst überprüfen." Wir lachten zusammen, umarmten und
küssten uns und sie sagte: Oh Mutti, ich bin so glücklich"
- und entschlüpfte fröhlich zum Spielen.
Jahre
später erfuhr ich, dass die ältere Schwester von Caroline ein
nichteheliches Baby hatte. Die ganze Familie beschloss, das
Kind in der Familie zu behalten. Sie meinten, eine andere Lösung
komme nicht in Frage. Caroline hatte unglücklicherweise daraus
gelernt, Adoption als Verrat von Familienbanden anzusehen. Unser
ältester Sohn musste auf der Realschule seinen Lebenslauf als
Aufsatz schreiben. "Was soll ich sagen?", fragte er
" Schreib, was du schreiben möchtest", sagten wir
"Das ist kein historischer Bericht, es ist eine Deutschübung.
" Er war sehr genau und wollte mit Ort und Zeitpunkt seiner
Geburt beginnen. Ihm war wichtig, diese erste Zeit nicht auszulassen.
Dies führte wieder zu der Frage: "Warum hat sie mich weggegeben?"
Wir erklärten die Tatsache noch einmal. Nun konnte er akzeptieren,
dass seine Mutter ohne familiäre und finanzielle Unterstützung
überfordert gewesen war, besonders, weil ihr kein Mann zur Seite
stand."
Kommentar:
Dieser ehrliche Bericht, von einer Adoptivmutter für andere
Adoptiveltern geschrieben, beleuchtet einige wichtige Punkte,
die zum Teil in den früheren Abschnitten behandelt wurden. Darin
wird deutlich, dass so etwas Wichtiges wie die Adoption nicht
mit einer einmaligen Erklärung verständlich gemacht werden kann.
Ihre Bedeutung kann nur nach und nach im Laufe der Jahre entfaltet
werden. Das mag entmutigend klingen. Aber auch Gespräche über
Sexualität, über den Tod oder über Gott sind meist nicht so
einfach, wie oft behauptet wird. Es ist gleichzeitig beruhigend,
dass Sie viele Gelegenheiten haben werden, Ihrem Kind die Adoption
verständlich zu machen. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen,
wenn es die Tatsache der Adoption zu vergessen scheint oder
wenn es zeitweise etwas verwirrt ist. Sie brauchen nicht alles
auf einmal zu erklären, ja, Sie sollten dies nicht einmal.
[oben]
Zeit für Gespräche
Die
Fragen des Kindes selbst sind der beste Führer zu seinen Gedanken
und Bedürfnissen. Hier müssen wir wieder Adoption im Zusammenhang
mit dem Familienleben sehen. Wenn es in der Familie üblich ist,
über andere heikle Themen offen zu sprechen, gelingt es dem
Kind, auch Fragen über die Adoption zu stellen. Es müssen Möglichkeiten
für ruhige und offene Gespräche geschaffen werden. Kinder müssen
wissen, dass es gewisse Zeiten gibt, in denen sie sicher sein
können, dass sie die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern erhalten.
Das kann beim Zubettgehen oder nach der Schule sein. Oder bei
Spaziergängen am Sonntag ebenso wie beim Kochen oder beim gemeinsamen
Spiel; nur: diese Zeiten sollten verlässlich und regelmäßig
sein. Eltern tun gut daran, den Fragen ihrer Kinder genau zuzuhören.
Manchmal wird die tiefere Bedeutung oder wirkliche Sorge nicht
unmittelbar deutlich, oder sie kann hinter einer gleichgültig
erscheinenden oder ungezwungenen Fassade versteckt sein. Manche
grundsätzlichen Fragen werden nicht direkt gestellt, sondern
sie kommen in Form von Behauptungen. " Michael sagt, dass
es Leute gibt, die Babys haben, bevor sie verheiratet sind."
Indirekt sucht das Kind eine Bestätigung oder eine Widerlegung
dieser Beobachtung. Die Tatsache, dass es sie überhaupt erwähnt,
zeigt, dass es darüber Um, nachdenkt; kluge Eltern werden diese
Gelegenheit nutzen, herauszufinden, was das Kind denkt und fühlt
und ihm dann Erklärungen oder, wenn nötig, Beruhigung anbieten.
Das kann eine Bitte um Hilfe sein oder eine sehr nebensächliche
Bemerkung. Das werden Sie unterscheiden lernen. Eine besorgte
Mutter geriet in eine lange detaillierte Erklärung über Adoption,
weil sie von ihrer Tochter gefragt wurde: "Wo komme ich
eigentlich her?" " Danke Mutti ", sagte ihre
Tochter, "aber ich wollte eigentlich nur wissen, ob ich
wie Barbara in Augsburg zur Welt gekommen bin."
Viele
Fragen über Adoption sind indirekt. Daher behaupten manche Eltern,
das Kind frage niemals danach. Wenn Sie genau zuhören, können
Sie die dahinterstehenden Fragen hören. Aus Berichten adoptierter
Erwachsener wissen wir, dass es Kinder oft sehr schwierig finden,
Fragen über ihre Adoption und ihre leiblichen Eltern zu stellen.
Wenn sie bei der ersten Erwähnung dieser Sache Unbehagen oder
Zögern spüren, behalten sie ihre privaten Sorgen lieber für
sich, als ihre Geliebten Adoptiveltern aufzuregen.
[oben]
Neugier
Es
genügt nicht, wenn Sie erklärt haben: "Du bist adoptiert"
oder "wir haben dich ausgesucht" oder "wir könnten
dich nicht mehr lieben wenn du unser eigenes Kind wärst' . Kinder
zeigen unterschiedlich viel Neugier; sie sind auch im Alter
unterschiedlich, in dem bestimmte Fragen für sie wichtig werden.
Aber es ist für das adoptierte Schulkind wichtig und ganz natürlich,
gewisse Tatsachen über seine leiblichen Eltern wissen zu wollen.
Übliche Fragen sind z. B. "Wie sahen sie aus? Wo wurden
sie geboren? War mein Vater groß? Welchen Beruf hatte er? War
meine Mutter gut im Zeichnen, in Musik in Mathematik, im Tanzen,
im Spielen, oder worin sonst? Bin ich wie sie? "
Indem
das Kind solche Fragen stellt, vergleicht es sich ständig, es
baut ein Bild von sich selbst auf im Vergleich zu anderen. Es
versucht herauszufinden, warum es so ist und nicht anders. Aber
es sehnt sich nicht nach diesen anderen Eltern, die es nie als
solche erlebt hat. Das Kind mag zwar Gefühle und Phantasien
über sie haben, es entwickelt aber keine engere gefühlsmäßige
Bindung. Es sieht die Adoptiveltern als die wirklichen und richtigen
Eltern an. Die Fragen nach den leiblichen Eltern dienen dem
Kind als Information, um sich selbst zu verstehen.
Die
Ängste von Eltern, das Kind könne sich durch die Aufklärung
über Adoption von ihnen abwenden oder sie nicht als richtige
Eltern anerkennen, sind unbegründet, vor allem dann, wenn das
Kind frühzeitig und je nach Lebensalter und Verständnis immer
wieder mit der Tatsache seiner Adoption vertraut gemacht wird.
Adoptiveltern machen sich oft darüber Sorgen, dass es ihrem
Kind aufgrund ihrer Information möglich wird, seine leiblichen
Eltern zu finden. Gerade das Gegenteil ist meist der Fall. Diejenigen,
denen das Wissen vorenthalten wurde, können ein verzweifeltes
Bedürfnis entwickeln es herauszufinden. Wir können nie ganz
sicher sein, wie ein Mensch reagieren wird, aber wir wissen,
dass das Zurückhalten wesentlicher Tatsachen am meisten beunruhigt.
Es
sind - wie überall - die unbeantworteten Fragen und das Gefühl
des Geheimnisses, die übermäßige Neugier erregen. Die Vermittlungsstellen
bemühen sich, die Adoptiveltern möglichst vollständig über die
Herkunft ihrer Kinder zu informieren. Es hängt von den Adoptiveltern
ab, wie viele Angaben sie erhalten und behalten möchten, um
bereit zu sein, wenn das Kind danach fragt. Falls Ihnen bei
der Vermittlung nicht genug Informationen gegeben wurden oder
sie einen Teil wieder vergessen haben, sollten Sie mit der zuständigen
Vermittlungsstelle erneut Kontakt aufnehmen. Wie erwähnt, ist
die Frage "Warum haben mich meine leiblichen Eltern weggegeben?"
am schwierigsten zu beantworten.
Das
Kind könnte argwöhnen, es sei weggegeben worden, weil es nicht
geliebt wurde. Es gibt auch einzelne Leute, die in ihrem Leben
keinen Platz für ein Kind haben. In den allermeisten Fällen
jedoch liebt die leibliche Mutter ihr Baby sehr. Sie sucht in
ihrer belastenden Situation eine gute Lösung für ihr Kind und
gibt es daher frei für eine bessere Zukunft. Um Müttern oder
Eltern zu helfen, diese Entscheidung gründlich zu bedenken,
ist gesetzlich festgelegt, dass sie erst 8 Wochen nach der Geburt
ihr Kind unwiderruflich zur Adoption freigeben können. Sie können
Wünsche bezüglich der neuen Eltern für ihr Kind äußern, die
bei der Vermittlung auch berücksichtigt werden. Sie geben ihr
Kind also nicht ins Ungewisse frei. Es mag schwierig sein, all
dies einem kleinen Kind zu erklären. Wenn man zu sehr betont,
dass "deine Mutter es sich nicht leisten konnte, dich zu
behalten und kein Geld und kein Zuhause hatte", kann das
Kind sich um seine leibliche Mutter Sorgen machen und denken,
dass sie Hilfe braucht; andererseits kann es Ängste entwickeln,
dass auch seine Adoptiveltern verarmen könnten und es dann auch
dieses Zuhause verliert. Am besten ist es, wenn Sie die Erklärung
einfach, aber ehrlich formulieren. Sie sollte dem Alter des
Kindes und seinem Verständnis entsprechen. Es kann vorkommen,
dass eine Frage wirklich schwierig zu beantworten oder die Gelegenheit
sehr ungünstig ist. Dann können Sie die Antwort auch einmal
aufschieben. Dies sollten Sie jedoch mit dem ehrlichen Versprechen
verbinden, es baldmöglichst nachzuholen. In jedem Fall sollten
Sie die leiblichen Eltern und ihre Lage einfühlsam und verständnisvoll
schildern. Ihr Kind soll sich weder verantwortlich noch schuldig
für die Schwierigkeit seiner Eltern fühlen und keine Minderwertigkeitsgefühle
wegen seiner Herkunft entwickeln. Es braucht sich seiner Eltern
nicht zu schämen. Wenn es auch von seinen leiblichen Eltern
als einem Teil seines Selbst ein positives Bild hat, kann es
viel eher ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. Günstig
ist es, die leiblichen Eltern positiv und verantwortungsbewusst,
aber nicht als Helden darzustellen. Nachdem Sie sich sehr ein
Kind gewünscht haben, ist es für Sie zunächst schwer nachzuempfinden,
dass Eltern ein Kind freigeben können. Sich in diese Mütter
und Väter einzufinden, fällt leichter, wenn Sie sich bewußt
machen, dass es für die meisten von ihnen eine schmerzliche
und verantwortungsbewusste Entscheidung ist, die sie - für ihr
Kind! - treffen. Sicher können Sie sich in eine Frau einfühlen,
die ohne Liebe eines intakten Elternhauses aufgewachsen ist,
die sich sehr nach Liebe und Geborgenheit sehnt, die glaubte,
der Mann, der gut zu ihr war, werde bei ihr bleiben, die sich
ihm vorbehaltlos anvertraute. Der Mann hat vielleicht selbst
nie gelernt, in seiner Kindheit nie lernen können, eine menschliche
Bindung einzugehen und durchzuhalten. Diese Frau, verlassen
vom Partner, ohne Rückhalt in der Familie und im Freundeskreis,
weiß dann kaum wie sie ihr Leben ordnen, wie sie eine klage
Linie finden, zumindest eine mittelfristige Lebensplanung für
sich zustande bringen kann. Wenn sie sich dann von ihrem Kind
trennt, um ihm in einer vollständigen Familie eine bessere Zukunft
zu geben, dürfen wir uns darüber erheben? Auch bei Ehepaaren
gibt es Situationen wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, hohe Kinderzahl,
schwere Ehekrisen, beengte Wohnverhältnisse, Finanzprobleme
(meist fallen mehrere Belastungen zusammen), die die Familien
so an die Grenzen ihrer psychischen und physischen Belastbarkeit
bringen, dass sie sich im Sinne der vorhandenen Kinder und des
weiteren Kindes zur Freigabe entschließen. Selbst wenn Sie erfahren,
dass Ihr Kind aus einer Familie stammen sollte, in der es misshandelt
wurde, können Sie dafür Verständnis entwickeln, wenn Sie sich
darüber klar werden, dass auch Misshandlungen ein Ausdruck erheblicher
Oberforderungen der Eltern sind. Misshandelnde Eltern sind oft
selbst von den eigenen Eltern geschlagen oder geprügelt worden,
sie haben oft erhebliche Konflikte in der Partnerschaft, sind
in ihrer Umgebung isoliert und erleben eine tiefgreifende Unzufriedenheit
wegen z. B. beengter Wohnsituation, Konflikte im Beruf oder
finanzieller Probleme. Das Kind reagiert auf die Spannungen
in der Familie u. U. mit Erziehungsschwierigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten.
Dadurch geraten die Eltern an den Rand ihrer Kräfte und wissen
sich in dieser Situation nur noch mit Prügeln zu helfen. Solche
Eltern brauchen unbedingt Hilfe und Unterstützung. Auch ein
kleineres Kind darf wissen, dass die leiblichen Eltern zu seiner
beständigen Versorgung und Erziehung nicht in der Lage waren.
Beschönigen Sie nichts, das Kind würde mit Sicherheit einmal
merken, dass Sie es nur schonen wollten. Aber versuchen Sie,
soviel über die leiblichen Eltern zu erfahren, dass auch die
Trauer der Eltern über die Freigabe ihres Kindes und die sonstigen
Hintergründe deutlich werden. Ihr Kind wird auch dafür Verständnis
haben, wenn Sie etwas nicht wissen. Keiner von uns weiß alles
über seine Vorfahren. Neugier kommt und geht. Ein Mangel kann
einfach bedeuten, dass Ihr Kind zur Zeit mit den täglichen Erlebnissen
zu beschäftigt ist, um sich über seine Herkunft Gedanken zu
machen. Adoptierte Erwachsene berichten dass es für sie wichtig
war, wenn die Eltern den ersten Schritt machten. Sie sollten
deutlich erkennen lassen, dass Sie bereit sind, mit dem Kind
zu sprechen, wenn es dies möchte. Beiläufige Bemerkungen über
die Adoption oder über sein Leben, bevor es zu Ihnen kam, werden
normalerweise genügen, um Ihre Bereitschaft zu weiteren Gesprächen
zu signalisieren.
Die
Oberbetonung der Adoption kann dazu führen, dass sich die Kinder
unbehaglich fühlen. Es sollte den Kindern überlassen sein, ob
sie private Dinge über sich selbst ihren Freunden mitteilen.
Sicher möchten sie nicht als unser adoptiertes Mädchen"
oder mein adoptierter Sohn" vorgestellt werden. Sie, die
Eltern, mögen dies aus Stolz und Freude tun, aber das Kind kann
den Eindruck haben, dass Sie damit etwas Besonderes aus ihm
machen.
Es
gibt Bemerkungen, die viele Adoptiveltern über Jahre hinweg
kränken und schmerzen: "Meine andere Mutti hätte mich das
machen lassen." Oder "Mir wäre es lieber, ich wäre
nicht von euch adoptiert worden. " Das sind handliche Waffen,
die ein wütendes Kind verwendet. Es merkt, dass es damit den
Eltern wehtun kann oder erreicht, was es möchte. Vielleicht
denkt es dabei nicht einmal an die andere Mutter. Alle Kinder
denken oder sagen manchmal: , Ich möchte nicht zu euch gehören.
Mir wäre lieber, meine Eltern wären wie die Eltern von Peter"
Adoptiveltern sind solchen Bemerkungen gegenüber empfindsamer
als leibliche Eltern. Normalerweise ist es das Beste, die ärgerlichen
Gefühle einfach zur Kenntnis zu nehmen. Das Kind war wütend
und wollte Sie deswegen verletzen; es sagt dann in der Erregung
Dinge, die es nicht wirklich so meint.
[oben]
Hautfarbe
In
der Bundesrepublik gibt es heutzutage eine wachsende Zahl von Familien,
die ein ausländisches Kind adoptiert haben. Hier stellt sich die Frage,
wie man dem Kind am besten helfen kann, sich mit seiner eigenen
Herkunft
und seinen farbigen Vorfahren ebenso zu identifizieren wie mit seiner
weißen Familie. Die meisten dieser kleinen Kinder sind so gut in ihre
Familie integriert, dass ihre Eltern die andere Hautfarbe oft gar nicht
mehr wahrnehmen. Trotzdem sehen andere Leute sie als dunkelhäutig und
andersartig an. Selbst wenn sie keine offene Diskriminierung oder lästige
Beachtung und Zuwendung erfahren, müssen diese Kinder lernen, ihre Verschiedenheit,
ihre Hautfarbe und ihren kulturellen Hintergrund zu akzeptieren. Adoptiveltern
sollten ihren Kindern vermitteln, dass sie auf ihre andere Hautfarbe
und Herkunft stolz sein dürfen. Sie können ihnen Gelegenheiten bieten,
Leute des eigenen Herkunftslandes kennen zu lernen, sich zu informieren über
berühmte Landsleute, über Geschichte, Kultur und Leben ihres Herkunftslandes.
Die Erfahrungen gemischter Familien zeigen, dass es für diese
Kinder nicht genug ist, innerhalb der westlichen Gesellschaft akzeptiert
zu werden. Wenn man ihnen nicht hilft, Zugang zu ihrer Herkunft zu bekommen,
können sie ernsthafte Schwierigkeiten mit ihrer Identität entwickeln.
[oben]
Späte Aufklärung
Bis
jetzt gingen wir davon aus, dass Ihr Kind nach und nach erfahren
hat, wie es in Ihre Familie gekommen ist. Aber nehmen wir an,
Sie konnten es ihm nicht sagen. Oder Sie haben es ihm früher
erzählt, aber nun wird es niemals erwähnt, so dass Sie nicht
wissen, ob es Sie verstanden hat oder nicht. Was dann? Da gibt
es nur eines: Beginnen, die Sache richtig zu stellen! Das bedeutet
jedoch nicht, dass Sie sich sofort in eine detaillierte Erklärung
stürzen sollen. Wie Sie vorgehen, hängt ab von der Persönlichkeit
und dem Alter Ihres Kindes und davon, ob Sie es tatsächlich
über seine Herkunft irregeleitet oder falsch informiert haben.
Haben Sie es im Glauben gelassen, dass es Ihr leibliches Kind
ist? Oder haben Sie ihm vielleicht erzählt, dass es adoptiert
wurde, und dann das Thema abgeschlossen? Vielleicht können Sie
ihm erklären, dass Sie sich früher einfach nicht in der Lage
fühlten, ihm die Wahrheit zu sagen. Sie wünschten aber sehr,
Sie hätten es damals getan.
Versuchen
Sie, einen Weg zu finden, das Thema so natürlich wie möglich
anzuschneiden. Vielleicht bekommt in Ihrem Bekanntenkreis jemand
ein Kind? Oder es erscheint in der Zeitung oder im Fernsehen
ein Bericht über Adoption oder Schwangerschaft? Eine Möglichkeit
besteht auch, über den Geburtsort von Bekannten oder Verwandten
zu sprechen. Oder Ihr Familien-Fotoalbum als Einstieg zu benutzen,
um über die erlebnisreichen Tage zu sprechen, als Sie ihr Baby
aus der Klinik oder aus dem Heim nach Hause brachten, oder als
Sie vom Gericht den Adoptionsbeschluss erhielten.
Wenn
Adoptiveltern sich entschlossen haben, einem älteren Schulkind
zu sagen: "Wir möchten dir etwas Wichtiges sagen",
kann es passieren, dass sie dann die Antwort bekommen: "
dass ich adoptiert worden bin, meinst du? Ach, das weiß ich
schon lange. Es macht mir nichts aus." Natürlich macht
es ihm etwas aus. Die äußerlich lässige Art des Kindes verbirgt
sein tiefes Bedürfnis, mehr über seine Herkunft und seine Lebensgeschichte
zu erfahren. Wenn es das Kind aus anderer Quelle erfahren hat,
können diese Neuigkeiten ein Schock sein und es lange stark
verunsichern. Das muss nicht auf die Adoption selbst zurückgehen,
sondern eher darauf, dass Ihr Verschweigen dieser Tatsache einen
Mangel an Vertrauen verrät. Das Kind kann dann die Adoption
als etwas erleben, weswegen man sich schämen sollte. Selbst
wenn das Kind eine Zeitlang beunruhigt ist, ist es nicht zu
spät, die Dinge richtig zu stellen. Teilen Sie ihm Ihr Wissen
und die damit für Sie verbundenen Gefühle ehrlich mit. Es ist
viel besser, wenn das Thema besprochen ist, als zuzulassen,
dass Ihre Ängste weiterhin unnötige Barrieren aufbauen. Es kann
eine Hilfe sein, wenn Sie zugeben können, dass Sie befürchtet
haben, seine Liebe zu verlieren, wenn es von seiner Herkunft
erfährt.
Kinder
müssen wissen, dass sie immer bei ihren Adoptiveltern und in
ihrem jetzigen Zuhause bleiben können. Sie könnten sonst ängstlich
werden, wenn ihnen jemand die Vorstellung vermittelt, sie. würden
nicht ganz dazugehören und vielleicht weggeschickt werden. Dieser
"Jemand" kann ganz ungewollt ein Elternteil selbst
sein, der es im Ärger andeutet, oder ein Verwandter oder Nachbar
oder Kinder. Wenn Fragen auftauchen, die diese Angst erkennen
lassen, sollten Sie sofort einfühlsam darauf eingehen: "Du
gehörst für immer zu uns. Wir gehören zu dir. Der Richter am
Gericht hat uns ein Dokument gegeben, das beweist, dass dich
niemand von uns wegnehmen kann." Das Zögern von Adoptiveltern,
über die Adoption zu sprechen, ist häufig in ihrer tiefliegenden
Angst begründet, die Liebe ihrer Kinder zu verlieren, wenn sie
ihnen sagen, dass sie adoptiert sind. So verständlich diese
Angst auch sein mag, sie ist unnötig. Die Befragung vieler Adoptivfamilien
erbrachte:
1.
Kinder erleben ihre Adoptiveltern als ihre wirklichen Eltern.
2.
Der sicherste Weg, das Vertrauen eines adoptierten Kindes zu
verlieren, besteht darin, ihm nichts über seine wahre Situation
in der Familie zu erzählen. Wenn es älter wird, spürt oder erfährt
es, dass es Geheimnisse in der Familie gibt, von denen er ausgeschlossen
wird. Es lebt dann im Zwiespalt, ebenso zu tun "als ob",
oder seine Ahnungen bzw. sein Wissen den Eltern zu offenbaren.
Wie soll es sich aber mitteilen, wenn es merkt, dass seine Eltern
Adoption als einen Makel erleben? Dies kann die Liebe, das Vertrauen
und die Beziehung zu den Eltern dauerhaft stören. Ein adoptiertes
Kind hat unbedingt ein Recht auf die Informationen, die ihm
helfen, sich selbst zu verstehen.
Ein
ehrlicher Beginn bei einer Adoption ist die beste Grundlage
für eine glückliche Kindheit, die zu einem ausgeglichene Erwachsenenleben
führt. Einem Kind zu helfen, mit der Adoption zu leben, erfordert,
dass Sie selbst zu ihr stehen können.
[oben]
Verwandtenadoption
Die
meisten Adoptionen sind sog. Inkognitoadoptionen: Das Kind wird
über die Adoptionsvermittlungsstelle in eine nach den Wünschen
der Mutter bzw. der Eltern ausgesuchte, ihr aber vom Namen und
Wohnort her unbekannte Familie vermittelt. Die Überlegungen
bezüglich Aufklärung gelten jedoch ebenso für Verwandten- und
Stiefelternadoptionen, wenn das Kind in die jetzige Familienkonstellation
in einem so jungen Alter kam, dass es davon ausgehen könnte,
beide Eltern seien seine leiblichen Eltern. Vielleicht hat es
die Tatsache z. B. des "zweiten Vaters" auch schon
einmal registriert, aber inzwischen wieder vergessen oder verdrängt.
Gerade auch nach Scheidung der Eltern erscheint es wichtig,
dass der verbleibende Elternteil zwar realistisch und ehrlich,
aber doch letztlich verständnisvoll über den geschiedenen Elternteil
spricht. Ein Kind identifiziert sich auch mit diesem Teil seiner
Herkunft, und negative Bemerkungen können sein Selbstwertgefühl
beeinträchtigen. Aber auch dann, wenn Kinder die Adoption durch
einen Stiefelternteil oder durch Verwandte bewusst miterleben,
ist es notwendig, ihnen die Veränderung der Verwandtschaftsbeziehung
durch die erfolgte Adoption eingehend zu erklären. Bisherige
Verwandte wie Tante und Onkel oder Großeltern werden zu Eltern
und übernehmen die vollen elterlichen Rechte und Pflichten.
Stiefvater oder Stiefmutter werden zu Vater und Mutter. Daher
wird man eine Adoption erst dann anstreben, wenn das Kind auch
innerlich dazu bereit ist, den Stiefelternteil oder die Verwandten
als neue Eltern anzuerkennen und anzunehmen. Sonst besteht die
Gefahr, dass das Kind in einen inneren Loyalitätskonflikt kommt,
wenn es z. B. noch starke Bindungen an den verstorbenen oder
getrennt lebenden Elternteil hat. In Konfliktfällen wird es
dann auch dazu tendieren, die "alten" Eltern gegen
die "neuen" auszuspielen. Wären wir z.B. bereit, einen
jahrelangen Freund einfach aufzugeben, mit dem uns viele - vielleicht
auch schwere - Erlebnisse verbinden, weil ein neuer Freund sich
mit unserem alten nicht versteht? Um wie viel einschneidender
ist es für ein Kind, den abwesenden Elternteil ganz "aufzugeben
", selbst wenn es den neuen Partner des anderen Elternteils
wirklich mag. Die Eltern haben sich auseinandergelebt, vielleicht
sind zwischen ihnen auch noch Wunden offen. Gestehen wir aber
dem Kind zu, dass es einen ganz anderen und für ihn wichtigen
Zugang auch zu dem Elternteil hat, mit dem es nicht mehr ständig
zusammenleben kann. Bereits im Vorfeld der Adoption sollte daher
auch mit dem Kind ausgiebig über diese Möglichkeit, die damit
verbundenen Rechte und Pflichten gesprochen werden. Lassen Sie
dem Kind Zeit und Ruhe, seine eigene Einstellung zur beabsichtigten
Adoption zu entwickeln und auszudrücken. Solche gedanklichen
und gefühlsmäßigen Prozesse können nicht mit e i n e m Gespräch
abgeschlossen werden.
[oben]
Der oder die Jugendliche
Pubertät
ist eine Zeit des biologischen und sozialen Umbruchs. Die verwirrenden
Veränderungen und Krisen dieser Entwicklungsphase können Jugendliche
hin- und herwerfen, auch die Eltern werden davon betroffen.
In dieser Zeit der Spannungen besteht die Gefahr, dass Adoptiveltern
manche Probleme der Jugendlichen auf die Tatsache der Adoption
zurückführen, statt sie als typische Verhaltensweisen dieser
Entwicklungsphase zu sehen. Es gibt Adoptiveltern, die sich
über die entwickelnde Sexualität ihrer Kinder Gedanken machen,
falls die leibliche Mutter ihres Adoptivkindes wechselnde Bekanntschaften
hatte. Sie fürchten vielleicht, dass ihre jugendliche Tochter
die Fehler ihrer Mutter wiederholen wird und machen sich bei
Kontakten ihrer Tochter mit dem anderen Geschlecht übermäßige
Sorgen. Das adoptierte Mädchen selbst mag sich über die Labilität
ihrer leiblichen Mutter Gedanken machen und ängstlich und unsicher
werden über ihre sich normal entwickelnden sexuellen Gefühle.
Das ist schade, da sexuelles Verhalten nicht angeboren ist.
Wichtig für den Heranwachsenden ist, zu einem befriedigenden
Gefühl seiner eigenen Identität zu gelangen. Das bedeutet auch,
herauszufinden, in welchen Punkten man gleich ist wie andere
Leute und in welchen verschieden. Zwischen Unabhängigkeit und
Abhängigkeit von anderen muss ein Gleichgewicht gefunden werden.
Jugendliche müssen ihre eigenen Erfahrungen machen, um sich
selbst und ihre Stärken und Schwächen zu erproben. Dabei neigen
sie gelegentlich zu Extremen: Im Aussehen, im Verhalten und
in den Interessen wollen sie sein wie ihre Altersgenossen -
und gleichzeitig möglichst verschieden von ihren Eltern-, angefangen
von der Kleidung über Fragen der Politik und Religion bis hin
zu Berufs- und Partnerwahl. In dieser Zeit machen sich Adoptiveltern
häufig Sorgen, dass erbliche Fehler beim Kind herauskommen könnten.
Der Jugendliche mag der Ansicht sein, dass seine leiblichen
Eltern viel verständnisvoller und weniger altmodisch gewesen
wären als seine Adoptiveltern. Ohne Zweifel spielt das Erbgut
eine Rolle bei der Bestimmung des Aussehens, der Intelligenz
und, im geringeren Umfang, der Persönlichkeit. Es hat jedoch
kaum etwas mit den Verhaltensweisen oder moralischen Einstellungen
zu tun. Diese Dinge lernen wir von den Personen unserer Umgebung,
hauptsächlich natürlich von der unmittelbaren Familie, aber
auch von der Schule und der Gesellschaft. Adoptiveltern haben
daher genau die gleiche Verantwortlichkeit für das Verhalten
ihrer Kinder wie alle anderen Eltern - nicht mehr und nicht
weniger. Es gibt jedoch einige zusätzliche Probleme, die durch
die Adoption selbst entstehen: Der adoptierte Jugendliche muss
mit dem Wissen umgehen, zwei Elternpaare zu haben, und mit der
Tatsache, dass das biologische und das kulturelle Erbe aus zwei
verschiedenen Quellen stammt. Zudem müssen Adoptierte mit unbeantworteten
Fragen und Lücken in ihrem Wissen über sich selbst leben. Es
ist für sie auch schwieriger, sich selbst und ihre eigenen Reaktionen
auf bestimmte Dinge zu verstehen. Die meisten von uns lernen
viel über sich selbst, indem sie ihre Eltern, Großeltern, Verwandte
kennenlernen. Sie können bestimmte Fähigkeiten, Neigungen, Besonderheiten
des Aussehens oder bestimmte Persönlichkeitszüge aus der Generationenfolge
und der Verwandtschaft erklären. Adoptierte Jugendliche dagegen
wissen oft nicht, wie sie sich selbst sehen und einschätzen
sollen.
Das
können Probleme sein, aber man darf sie nicht überbewerten.
Auch viele Kinder von geschiedenen Eltern haben zwei Elternpaare;
manche wissen wenig von dem einen oder anderen Elternteil. Sowohl
bei Eltern als auch bei Lehrern ist eines der häufigsten Missverständnisse,
die Adoption für die ganz normalen Schwierigkeiten beim Erwachsenwerden
verantwortlich zu machen und sie überzubewerten. Adoptierte
Kinder haben ja auf der anderen Seite den enormen Vorteil, in
ihre neuen Familien durch Auswahl und nicht durch Zufall gekommen
zu sein, erwünscht und geliebt. Daher ist es nicht richtig,
adoptierte Kinder entschädigen zu wollen oder besondere Ausnahmen
für sie zu machen. Sicher werden sie von Zeit zu Zeit besonderes
Verständnis brauchen, und Adoptiveltern sollten wegen ihrer
besonderen Situation einfühlsam sein; dies gilt aber letztlich
für alle Kinder. Wichtig ist, sich ins Gedächtnis zu rufen,
dass Adoption nur eine Tatsache unter vielen anderen im Leben
eines Jugendlichen ist. Wenn er tatsächlich ständige Probleme
im Zusammenhang mit der Adoption hat, dann hängt das fast immer
mit den Einstellungen der Adoptiveltern zusammen. Sie konnten
sich vielleicht innerlich immer noch nicht mit ihrer Unfruchtbarkeit
aussöhnen oder sie machen sich Gedanken über die nichteheliche
Abstammung oder Herkunft ihres Kindes. Auch die adoptierten
Jugendlichen, die sich in ihrer Adoptivfamilie wohl und integriert
fühlen, können durch Zeiten tiefer Sorge und Verwirrung über
ihre Situation hindurchgehen. Eine ältere, jetzt glücklich verheiratete
adoptierte Frau sagte rückblickend über ihre Beziehung zu ihren
Eltern: "Ich war im Alter zwischen 16 und 22 Jahren abscheulich
zu ihnen. Natürlich machte uns dies zeitweise sehr unglücklich,
und ich glaubte dann, dass meine Adoption ein kompletter Fehler
war; aber jetzt können wir über unsere Verschiedenheit miteinander
sprechen. Es gibt einen großen Unterschied in dem, was ich mit
21 fühlte und was ich jetzt fühle. Ich glaube jetzt, dass es
verarbeitet ist." Das ist möglicherweise typisch für viele
Adoptivfamilien, aber es kann auch für manche sonstigen Familien
gelten. Jugendliche haben Zeiten, in denen sie ernsthaft an
die Möglichkeit denken, mehr über ihre leiblichen Eltern herauszufinden
oder sie sogar zu treffen. Manche finden bald heraus, dass dies
nicht ratsam für sie wäre; denn sie und ihre leiblichen Eltern
wären Fremde füreinander Einige Adoptierte haben von einem oder
mehreren Treffen profitiert, da diese Begegnungen ihre Neugierde
befriedigen oder die Antwort auf besondere Fragen geben konnten.
Dauernde Beziehungen haben sich daraus sehr selten entwickelt.
Wenn adoptierte Jugendliche den Wunsch nach Kontakten mit ihren
leiblichen Eltern äußern, kann dies zunächst bei den Adoptiveltern
große Ängste und Sorgen auslösen. Manche Adoptiveltern bemühen
sich dann, ihr Kind von diesem Gedanken mit allen möglichen
Mitteln abzubringen, es abzulenken oder das Vorhaben als unmöglich
hinzustellen. Sie machen sich Sorgen, ihr Kind könnte sich den
leiblichen Eltern wieder zuwenden und sie verlassen. Dabei denken
sie zu wenig daran, dass der adoptierte Jugendliche ein ernsthaftes
Bedürfnis hat, mehr über seine Eltern und die Umstände seiner
Freigabe zu erfahren, nicht allein aus Neugierde, sondern auch,
um sich selber besser kennen zu lernen und in seiner Identität
zu festigen. Daher erscheint es günstiger - statt zu verbieten,
abzuwehren oder abzulenken - offen und verständnisvoll mit dem
Jugendlichen über seine Wünsche zu sprechen und, soweit möglich,
diesen berechtigten Bedürfnissen nachzukommen. Die Adoptivfamilie.
kann zusammen mit dem Jugendlichen zu der Adoptionsvermittlungsstelle
gehen und sich von der dortigen Fachkraft alle Informationen
über die leiblichen Eltern und die Umstände der Freigabe geben
lassen. Viele Jugendliche sind mit diesen Informationen und
mit dem verständnisvollen Eingehen auf ihre Fragen zufriedengestellt.
Der Jugendliche hat ja auch das Recht, mit 16Jahren in die Abstammungsurkunde
Einsicht zu nehmen. Sollte der Jugendliche nach wie vor ein
direktes Treffen mit seinen leiblichen Eltern wünschen, dürfte
auch hier die Einschaltung der damals beteiligten Adoptionsvermittlungsstelle
günstig sein. Es könnte ja sein, dass die leibliche Mutter oder
der Vater den Kontakt mit ihrem Kind nicht wünscht, z. B. weil
sie in der Zwischenzeit verheiratet ist und die Freigabe zur
Adoption ihrem Ehemann verschwiegen hat, weil sie selbst zuviel
Angst hat vor einem Treffen mit ihrem Kind oder sich wegen ihrer
Situation schämt. Die Fachkraft der Vermittlungsstelle kann
mit den leiblichen Eltern selbst Kontakt aufnehmen und den Wunsch
des adoptierten Jugendlichen nach einem Treffen besprechen.
Sollte auf beiden Seiten der Wunsch nach einem Kontakt vorhanden
sein, kann man das weitere Vorgehen in Ruhe bedenken. Manchmal
ist es nicht nur für den Adoptierten befreiend, die "anderen"
Eltern einmal kennen gelernt zu haben, sondern auch für den
freigebenden Elternteil entlastend. Der erlebt endlich, dass
es seinem Kind gut geht und er kann ihm unmittelbar erklären,
warum er sich seinerzeit zur Freigabe entschlossen hat. Adoptiveltern
haben oft Sorgen, ihr Adoptivkind könnte durch den Kontakt mit
den leiblichen Eltern von ihnen abrücken. Die Erfahrung zeigt
jedoch, dass sich die Bindung zwischen Adoptivkind und Adoptiveltern
eher vertieft, wenn es den Eltern gelingt, ihre Angst zu überwinden
und ihrem Kind Kontakte mit den leiblichen Eltern zu ermöglichen.
Wie gesagt: Manche Jugendliche sind auch zufrieden, wenn sie
erleben, dass ihre Eltern diesen Wunsch verstehen und soweit
möglich unterstützen. Ein Erwachsener drückte das einmal so
aus: "Als ich meine andere Mutter kennen lernte, konnte
sie mir viele meiner Fragen beantworten, was meine Eltern halt
nicht wussten. Da verstand ich noch besser, wer ich bin. Und
auch, dass ich wirklich zu meinen Eltern, ich meine natürlich
die Adoptiveltern, Gehöre. Jetzt stehen keine Fragen mehr dazwischen.
Es ist nichts besonderes mehr Ich bin wie jeder andere. "
Das Selbstbild einer Person - seine Gefühle über sich selbst
-wird überwiegend während der Kindheit gebildet und hängt von
den Einstellungen seiner Familie ihr gegenüber ab. Wenn Adoptiveltern
das Kind um seiner selbst willen völlig akzeptieren konnten
(das bedeutet nicht, immer sein Verhalten zu akzeptieren!),
dann wird es in der Lage sein, seine individuellen Möglichkeiten
zu entwickeln, sich selbst zu erkunden und seine eigenen Grenzen
anzunehmen. Es kann sein Bild von sich auf eine realistische
Basis stellen und seinen eigenen, annehmbaren Platz im Rahmen
der Umwelt finden. Information über seine Herkunft empfindet
er dann als notwendig, aber nicht als überwältigend wichtig.
Seine Stärke und Befriedigung kommt von seiner gegenwärtigen,
sehr realen Familie. Wenn dem adoptierten Jugendlichen die Informationen
zur Verfügung gestellt werden, die er braucht, und die Freiheit,
sie zu benützen, wird er die Elemente seines doppelten Erbes
in dieser einzigartigen Kombination zusammenfügen, die er selbst
ist - und damit seine Identität erreichen.
[oben]
Nachtrag:
Unmittelbar
vor Druck der 2. Auflage erhielten wir einen Brief von Adoptiveltern,
den wir wenigstens gekürzt aufgreifen möchten:
"...in
fast allen Punkten sind die bisherigen Erfahrungen mit unseren
Adoptivkindern deckungsgleich mit dem Inhalt dieser Broschüre
. . . wir gehen eigentlich sogar noch einen Schritt weiter .
. . ,Warum haben die Adoptiveltern mich adoptiert und warum
haben sie keine Kinder bekommen?' In der o. g. Broschüre ist
dieses Thema nur leicht gestreift worden. Wir sind der Meinung,
dass dieses Thema mehr Beachtung finden sollte . . . ist für
manche schwerer zu beantworten als die Frage über die Herkunft
der Adoptivkinder . . . Es würde uns interessieren, wie andere
Adoptiveltern zu dieser Aufklärung stehen. Nicht ein einziges
Elternpaar sprach mit uns über dieses Thema. Das gibt uns Anlass
zur Annahme, dass die Frage ,Warum bekommt ihr keine eigenen
Kinder?' als Tabu im Raume steht. Dies könnte dazu führen, dass
zwischen Kindern und Eltern eine Schwelle entsteht . . . Mit
9 Jahren kann unsere Robi jetzt auch dies voll begreifen und
verarbeiten . . . Wir erzählten ihr, dass die Mami Fehl- und
Totgeburten hatte . . . Robi wollte sehr viele Einzelheiten
wissen . . . ,Mami war damals krank vor Traurigkeit, und du
hattest keine Mama. Welch ein Glück, dass ihr euch damals gefunden
habt!' ,Da hast du recht, Papi', antwortete Robi und drückte
sich auf dem Sofa ganz eng und froh an mich." Vielleicht
fällt es Eltern noch schwerer darüber zu sprechen, wenn es ihnen
nicht nur verwehrt blieb, ein Kind auszutragen, sondern es erst
gar nicht zu zeugen bzw. zu empfangen (siehe S. 7). Das kann
verschiedenste Gründe haben. Es hat aber so wenig mit "Schuld"
oder "Versagen" zu tun wie z. B. eine Allergie, eine
dunkle Hautfarbe, unser Fingerabdruck oder vieles andere. Die
Psyche jedes Menschen ist sehr kompliziert und jeweils einmalig
(und das ist - trotz aller unserer " Ecken und Kanten "
- auch gut so! ). Gestehen wir dies auch unserem Körper zu !
Übrigens interessieren uns natürlich auch Ihre Erfahrungen.
[oben]
Folgende
Kinderbücher bieten Hilfe für die frühzeitige Aufklärung des
Adoptivkindes:
Der
Findefuchs - Wie der kleine Fuchs eine Mutter bekam. Verfasser:
Irina Korschunow dtvjunior, 1982, ca.7,- DM Thienemann-Verlag,
1984, ca.18,- DM Peter und Susi finden eine Familie. Die Geschichte
zweier Adoptivkinder. Verfasser: Edith Hess, Bilder: Jacqueline
Blass Herderverlag, ca.17,- DM
Willkommen,
Uli Verfasser: Hildegard Schaufelberger-Bachman" Lambertus-Verlag
Freiburg, 1968, ca.5,- DM
Das
Buch über Bubblan, der neue Eltern bekam. Verfasser: Catherine
Berg, Simone Cederquist Proprius Förlag, Stockholm 1972 Herausgeber:
Terre des Hommes Deutschland e. V. Ruppenkampstraße 11, 4500
Osnabrück (insbesondere für Kinder aus anderen Ländern)
Gaby-
Ein Adoptivkind erzählt Hrsg.: Evang. Verein für Adoptionsvermittlung
Rheinland e. V, Einbrungerstr. 56, 4000 Düsseldorf 31, 1984;
3,- DM + Porto Text: Adoptivelternkreis bei o. g. Verein (Ein
4jähr. Kind "erzählt" ganz kurz von seinem Leben,
Tagesablauf etc., erwähnt auch seine Adoption)
Matthias.
Eine Geschichte Herausgeber: Diakonisches Werk Westfalen, Friesenring
34, 4400 Münster; ca. 5,- DM (speziell für etwas ältere Kinder
aus Heimen)
Für
ältere Kinder, auch Identifikationshilfe:
Zwei
Kinder finden ein Zuhause Verfasser: Dagmar Galin Fischer-Verlag
Göttingen 1977, ca.9,- DM (südamerikanische Kinder kommen nach
Deutschland)
Liebe
Schwester, blöde Kuh Verfasser: Christiane Sprenger Signal-Verlag
Baden-Baden 1977, ca.13,- DM (9jähriger berichtet in Ich-Form
über seine "neue Schwester")
Für
Adoptiveltern und adoptierte Erwachsene:
Adoption.
Zueinander kommen - miteinander leben.
Eltern
und Kinder erzählen
Verfasser:
Arthur D. Sorosky, Annette Baran, Reuben Pannor
rororo-TB
7483, ca. 8,- DM
(Amerikanischer
Originaltitel: "The Adoption Triangle")
Adoption
(Woher komme ich? Wer sind meine Eltern?) und Zweimal geboren.
Memoiren einer Adoptivtochter beide: Verfasser Betty Jean Lifton
beide: Klett-Cotta, je ca. 38,- DM (Im Gegensatz zur Bundesrepublik
war es bisher in Amerika Adoptivkindern nicht gestattet, Daten
über ihre leiblichen Eltern zu erfahren, was das Bedürfnis nach
Aufklärung ihrer Herkunft verschärft.)
Adoption.
Notwendige Informationen und Ratschläge für Eltern, die sich
damit befassen, ein Kind zu adoptieren, oder die bereits ein
Adoptivkind haben. Verfasser: Lo von Gienanth bf-Sachbuch 16
(Benziger-Verlag) 1974, ca. 7,- DM (lediglich rechtlicherTeil
z. T. überholt)
Für
Adoptivfamilien mit ausländischen Kindern:
Die
Adoption fremdländischer Kinder. Erfahrungen und Orientierungshilfen
Verfasserin: Margot Weyer Quell-Verlag Stuttgart 1979, ca. 17,-
DM
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