Lesben und Schwule mit Kindern - Kinder homosexueller Eltern

IV. rechtliche Aspekte 3. Adoption 

Die Adoption von Kindern geht historisch bis auf die Antike zurück. Zunächst stand das Interesse der - oft wohlhabenden und kinderlosen - Adoptiveltern im Vordergrund, durch die Annahme eines Kindes ihren Familienstammbaum fortzusetzen. So stand es auch im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896, das erstmals für Deutschland die Adoption gesetzlich regelte. Seitdem ist der Fürsorgegedanke in den Vordergrund getreten mit dem Ziel, einem elternlosen Kind das Aufwachsen in einer Familie zu ermöglichen. Die Adoptionsvermittlung wurde zunehmend von Fürsorgeträgern und Wohlfahrtsverbänden übernommen und staatlich kontrolliert, um Kinderhandel und Ausbeutung der Kinder zu verhindern. Heute sind der Großteil der zur Adoption freigegebenen Kinder Sozialwaisen, d. h., die biologischen Eltern sind sozial oder psychisch nicht in der Lage, das Kind aufzuziehen. In armen Ländern gibt es nach wie vor Waisenkinder in erheblicher Zahl, die ihre leiblichen Eltern verloren haben oder deren Herkunft als "Findelkind" unbekannt ist, und die deshalb zur Adoption stehen.

Es ist internationales Recht, dass die Annahme als Kind dem Wohl des Kindes dienen muss. In Deutschland ist die Annahme Minderjähriger als Kind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den ƒƒ 1741 bis 1766 regelt. Sie ist dann zulässig, wenn zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Heute bemühen sich in den westlichen Ländern hauptsächlich Ehepaare, die aus medizinischen Gründen kinderlos geblieben sind um die Adoption eines Kindes. Sie wünschen sich in der Regel ein Neugeborenes. Aufgabe der Adoptionsvermittlungsstellen ist es, geeignete Eltern für ein Kind zu finden, und nicht, ein geeignetes Kind für adoptionsbereite Eltern.

Exkurs: Kinderwunsch von Lesben und Schwulen

Auch Lesben und Schwule, die keine Kinder aus heterosexuellen Beziehungen haben, wünschen sich häufig, ein Kind zu haben bzw. mit Kind(ern) zu leben. Sie sind bereit, für ein oder mehrere Kinder Verantwortung zu übernehmen. Ihr Kinderwunsch kann genauso stark ausgeprägt sein wie der heterosexueller Frauen und Männer.

Es ist zu begrüßen, wenn Lesben und Schwule nicht mehr den Umweg über die Verleugnung ihrer sexuellen Orientierung und das Eingehen heterosexueller Ehen gehen müssen, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Für manche von ihnen ist Insemination eine Möglichkeit, selbst biologische Eltern zu werden. Andere entscheiden sich dafür, die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, das schon geboren ist und eine fürsorgliche Familie braucht (Adoption oder Pflegschaft).

Neben Ehepaaren können auch Einzelpersonen ein Kind adoptieren: "Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen." (BGB ƒ 1741 (2) Satz 1)

Es ist also für Lesben und Schwule möglich, als Einzelperson ein Kind anzunehmen.

Vermutlich gab es auch in früheren Jahren schon Einzelpersonen, die ein Kind adoptiert haben und homosexuell waren. Dies wurde allerdings bis in jüngste Zeit weder von den Betroffenen noch von den Adoptionsvermittlungsstellen thematisiert. In einigen Staaten (Australien, Neuseeland, USA, Kanada, Niederlande) sind seit Beginn der 80er Jahre Fälle bekannt, in denen offen lebende Lesben und Schwule Kinder adoptiert haben. Auch in Deutschland werden Lesben und Schwule, die einen Antrag auf Zulassung zur Adoption stellen, genauso wie Ehepaare und heterosexuelle Einzelpersonen dahingehend überprüft, ob sie unter Berücksichtigung der moralischen, sittlichen und finanziellen Voraussetzungen geeignet sind, ein Kind zu adoptieren. Es wird geprüft, ob sie den besonderen Anforderungen eines Adoptivkindes gewachsen sind.

In den wenigen uns bekannten Fällen, in denen sich Lesben in Deutschland bisher um die Adoption eines Kindes bewarben, traten diese offen als Lesben gegenüber den Adoptionsvermittlungsstellen auf und machten deutlich, dass sie dem Kind gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin ein Zuhause geben wollten. Von den Mitarbeiter/innen der Adoptionsvermittlungsstellen wurde bei der Erstellung des Sozialberichtes (Home-study) berücksichtigt, dass die Partnerin der Adoptierenden als Co-Mutter in die Verantwortung miteinbezogen werden soll. Dass die Lesbenpaare offen und selbstbewusst zu ihrer Lebensweise standen, wurde für die Entwicklung der Kinder als positiv beurteilt. Die Bewerberinnen erhielten die Adoptionserlaubnis in den für sie zuständigen Städten, hatten allerdings wenig Chancen, in Deutschland ein Kind vermittelt zu bekommen. Hier stehen für ein zur Adoption freigegebenes Kleinkind durchschnittlich zehn anerkannte Adoptionsbewerber/innen - überwiegend Ehepaare - zur Auswahl. Die Adoptionsvermittlungsstellen und die abgebenden Eltern, die der Adoption zustimmen müssen, vermitteln die Kinder zunächst am liebsten in "traditionelle Familienformen".

Auslandsadoption

Es ist erfreulich, dass in Deutschland nur wenige Kinder zur Adoption freigegeben werden, zeigt es doch, dass immer weniger Kinder ungewollt in eine soziale Umwelt hineingeboren werden, die sie nicht tragen kann. Weltweit gibt es jedoch unzählige Kinder, die kein Zuhause haben. Hier sollte zunächst immer im jeweiligen Land nach Lösungen gesucht werden, um dem Kind gute Entwicklungsbedingungen zu schaffen. Auslandsadoptionen sind kein politischer Weg, um Armut, Hunger und Rechtlosigkeit von Kindern in armen Ländern zu beseitigen, können aber im Einzelfall einem jungen Menschen eine Lebensperspektive bieten.

International anerkannte Organisationen vermitteln Adoptionen von Kindern aus anderen Ländern, wenn die Adoptionsvermittlungsstelle am Wohnsitz des Bewerbers/ der Bewerberin dessen Eignung festgestellt hat. Diese Organisationen wachen darüber, dass mit Adoptionen kein Missbrauch (Kinderhandel) betrieben wird. In den o. g. Ländern (Australien, usw.) und in Einzelfällen auch in Deutschland haben Lesben und Schwule Kinder aus dem Ausland angenommen. Sie versorgen und erziehen sie meist gemeinsam mit einer festen Partnerin/einem festen Partner. Diese Kinder sind rechtlich benachteiligt gegenüber ehelichen Kinder, weil sie formal nur einen sorgeberechtigten Elternteil haben. Für die jungen Familien bestehen von Anfang an die Rechtsunsicherheiten, die im Kapitel Co-Elternschaft benannt wurden (vgl. Kapitel IV. 2). Diese Rechtsunsicherheiten könnten beseitigt werden, wenn die beiden tatsächlich für das Kind sorgenden Erwachsenen das gemeinsame Sorgerecht erhielten. In Deutschland kann jedoch ein adoptiertes Kind nur von dem Ehegatten des Adoptivelternteils angenommen werden (BGB ƒ 1742). Da Lesben und Schwule nicht heiraten können, steht ihnen dieser Weg nicht offen, um ihre realen Lebensverhältnisse rechtlich abzusichern und dem Kind die größtmögliche Sicherheit zu bieten. Bisher bleibt nur die unsichere Variante, diese Fragen mit Vollmachten und testamentarischen Verfügungen soweit wie möglich zu regeln (vgl. Kapitel IV. 2).

Ein Blick über den Tellerrand: Adoption und "Stiefeltern"-Adoption im internationalen Vergleich:

In 20 Staaten der USA und in Einzelfällen in Kanada und Großbritannien haben gleichgeschlechtliche Paare gerichtlich die Adoption eines Kindes durch den Partner/die Partnerin des sorgeberechtigten Elternteils durchgesetzt (second-parent-adoption = Stiefelternadoption).In Südafrika hat 1995 erstmals ein Lesbenpaar ein Kind adoptiert. Die Provinz Valencia im katholischen Spanien hat gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht zur Adoption zugestanden.

Im Interesse der betroffenen Kinder wären Gesetzesänderungen notwendig, die

gleichgeschlechtlichen Partner/innen die Stiefelternadoption erlauben, sowie gleichgeschlechtlichen Paaren die gemeinsame Adoption eines Kindes erlauben.

Soll ein Kind von einem Lesben-/Schwulenpaar adoptiert werden, bei dem es schon längere Zeit in Pflege lebt, so entspricht die Adoption seinen gewachsenen Beziehungen.

Leider ist die Diskussion darum, ob gleichgeschlechtlichen Paaren die gemeinsame Annahme von Kindern ermöglicht werden soll, äußerst emotional und ideologisch belastet. Die Gegner/innen eines gemeinsamen Adoptionsrechtes führen die genannten und längst widerlegten Vorurteile gegen die Eignung von Lesben und Schwulen als Erziehungspersonen an (vgl. Kapitel III) und sehen die traditionelle Familienform "Vater-Mutter-Kind" dadurch als bedroht oder gefährdet an, dass eine Minderheit von Familien anders lebt. Der Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) wird jedoch nicht dadurch gewährleistet, dass andere Lebens- und Familienformen nicht rechtlich abgesichert werden können.

In den skandinavischen Ländern wurden zwischen 1989 und 1994 Gesetze zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften eingeführt. Das gemeinsame Adoptionsrecht ist nicht vorgesehen. Dazu sagte die Vorsitzende der verantwortlichen Kommission im schwedischen Parlament, Barbro Westerholm:

"Es gab keinen einzigen vernünftigen Grund, das gemeinsame Adoptionsrecht auszuschließen. Dass wir es aus dem Gesetz herausgenommen haben, war letzten Endes ein politisches Zugeständnis."

Das Europäische Parlament hat 1994 eine Entschließung verabschiedet, dass "die Beschneidung des Rechtes von Schwulen und Lesben auf Elternschaft oder Adoption und Erziehung von Kindern" beseitigt werden soll. Die Niederlande sind das erste Land, das Lesben und Schwule zur Ehe zulassen will. Dort werden derzeit Untersuchungen angestellt, wie sich ein gemeinsames Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare auf die Beziehungen zu armen Ländern auswirken könnte, aus denen häufig Adoptivkinder vermittelt werden.

Im Interesse der Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, sollte in Deutschland die Möglichkeit eröffnet werden, dass gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam ein Kind annehmen können. Dies wäre sowohl beim Entwurf für ein Gesetz zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften als auch bei weiteren Reformen des Kindschaftsrechtes zu berücksichtigen.

Es gibt bereits Äußerungen namhafter Persönlichkeiten in Politik und Öffentlichkeit, die ein gemeinsames Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare nicht ablehnen. Auch Interessenverbände und politische Parteien - oder Teile von diesen - setzen sich für ein gemeinsames Adoptions- und Sorgerecht für gleichgeschlechtliche Paare ein.


Quelle: Auszug aus dem Dokument Nr. 16 bei der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Beuthstraße 6 - 8, 10117 Berlin, http://www.sensjs.berlin.de

 

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